Dienstag, 2. September 2014

Alexander Unzicker: Analyse seines Beitrags auf Telepolis

Alexander Unzicker
Alexander Unzicker
Der Physiker und Lehrer Alexander Unzicker hat am 15.8.2014 den Beitrag "Die Irrationalität in der Ukraine-Krise gefährdet unsere Demokratie" auf Telepolis veröffentlicht (mehr zu Telepolis).

Im Folgenden werden einige Ausschnitte aus dem Unzicker-Beitrag analysiert:

"Ich verfolge seit den 1980er Jahren politische Nachrichten. Auch damals war es möglich, einer einseitigen Berichterstattung Informationen abzugewinnen. Wenn man die Nachricht vom Kommentar mental zu trennen verstand, beobachtete, was in einem Medium gesagt wurde und im anderen verschwiegen, erhielt man ein halbwegs zutreffendes Bild. Und zu dieser Zeit konnte man gut zwischen einer gelenkten und zensierten Presse im Ostblock und der vielstimmigen, freien westlichen Medienlandschaft unterscheiden. Ein Grundvertrauen bildete sich aus.


Zu meinem Entsetzen hat sich dies auf den Kopf gestellt. Vergleichen sie auf YouTube die Pressekonferenzen des russischen Verteidigungsministeriums mit den peinlichen Behauptungen der Sprecherin des State Department. Die Rollen des kalten Krieges sind, was Transparenz und Dokumentation betrifft, komplett vertauscht. Es gibt heute Meldungen, die nur auf Rianovosti, Russia Today oder im Internet thematisiert werden, aber nicht in den westlichen Leitmedien, nur Stichworte: [...]" Fortsetzung unten
Alexander Unzicker stuft die Inhalte der russischen Pressekonferenz zum MH17-Absturz als uneingeschränkt glaubwürdig ein und bezeichnet die Inhalte der US-amerikanischen Pressekonferenz als peinliche Behauptungen, ohne mit Argumenten zu belegen, was genau peinlich ist. Er schlussfolgert aus dem Vergleich der beiden Pressekonferenzen, dass sich die Rollen des Kalten Kriegs, "was die Transparenz und Dokumentation betrifft, komplett vertaucht" haben.




Der Youtube-Kanal Deutschland+Russland, auf dessen Video Alexander Unzicker verweist, zeigt die von Russia Today (RT) übertragene Pressekonferenz vom 21.7.14 mit deutscher Übersetzung und ergänzt diese mit Bildern von Militärfahrzeugen, die in der RT-Übertragung nicht gezeigt werden. Man erkennt das daran, dass es keinen Ton zu den Bildern gibt bzw. der Ton abrupt abbricht sowie am fehlenden RT-Logo unten links, vgl. Minute 1:49-2:13 (siehe auch RT-Youtube-Kanal das rund 30-minütige Video der Pressekonferenz).

Bis Minute 10:13 hält ein russischer General einen Vortrag in russisch vor Journalisten und zeigt Satellitenbilder und Grafiken. Anschließend hört man eine Frau in gebrochenem Englisch fragen, ob es Zufall sei, dass der Zeitpunkt der MH17-Katastrophe mit dem Zeitpunkt, an dem ein US-amerikanischer Satellit das Gebiet beobachtet hat, übereinstimmen. Der General antwortet in russisch, dass die gerade vorgetragenen Informationen objektiv und zuverlässig seien, weil sie von unterschiedlichen Stellen stammten. Dies stünde im extremen Gegensatz zu Beschuldigungen, die man Russland vorwerfe. Anschließend stellt die Frau erneut in Englisch eine Frage, die der General auf russisch beantwortet. Als Beispiel für eine haltlose Beschuldigung nennt er die Berichte der westlichen Medien, denen zufolge ein BUK-Raketenwerfer auf einem Lastwagen aus der Ukraine nach Russland transportiert wurde. Das Fragen und Antworten dauert dem Videomitschnitt zufolge fast fünf Minuten. Dann ist die Pressekonferenz zu Ende.

Der Youtube-Kanal Russia Today (RT) zeigt ein 7:35 minütiges Video, in dem die Pressesprecherin des Außenministerium Marie Harf Fragen eines Journalisten beantwortet. Es geht u.a. um die bei der russischen Pressekonferenz vorgelegten Satellitenaufnahmen und das Beweismaterial der USA, das offenbar sehr stark auf Informationen aus den sozialen Netzwerken beruht. 

Unzicker verschweigt, dass es sich um einen Ausschnitt des täglichen Pressegesprächs des US-Außenministeriums handelt - dass es also keine spezielle Pressekonferenz zum MH17-Absturz ist (zum 72-minütigen Pressegespräch vom 21.7.14). Die täglichen Pressegespräche des US-Außenministeriums erfolgen nach dem gleichen Schema: Der Pressesprecher beantwortet Fragen, die unterschiedliche Journalisten stellen (siehe z.B. Pressegespräch vom 13.8.14).

Alexander Unzicker hält die russische Pressekonferenz, bei der das Militär einen Vortrag hält und anschließend ein oder zwei Frauen ausgewählte Fragen vortragen, für glaubwürdiger als ein Pressegespräch, bei dem Journalisten selbst Fragen stellen und nachhaken können. Als Belge bezieht sich Unzicker nicht auf die Originalmitschnitte. Stattdessen beruft er sich auf Youtube-Videoauszüge, mit denen Unzicker einen Paradigmenwechsel für die Arbeit von Ost- und Westmedien belegen will.

Unstrittig ist, dass die Fakten dafür, wer das Passagierflugzeug MH17 am 17.7.14 abgeschossen hat, sehr dünn sind. Der Wikipedia-Beitrag "Malaysia-Airlines-Flug 17" fasst die Indizien zum Absturz der MH17 sehr gut zusammen, zu denen auch Beiträge der Separatisten in sozialen Netzwerken gehören, die die Separatisten belasten.
"[...] Das "Fuck the EU"-Telefongespräch mit der entlarvenden Passage über die Installation von Jazenjuk, die Identität der Maidan-Schützen, die ukrainischen Neonazis, die Brandursache im Gewerkschaftshaus von Odessa, die Bombeneinschläge in der Ostukraine, die Flüchtlingsströme, die nicht nur in der Westukraine, sondern vor allem in Russland ankommen."
Diese Behauptung ist absoluter Unsinn! Im folgenden Links zu einigen Medienberichten (kein Anspruch auf Vollständigkeit, einfache Webrecherche am 2.9.14):


"Das Thema verdeckte Kriegführung hat jüngst der Schweizer Historiker Daniele Ganser beeindruckend analysiert. Anhand von Beispiele aus Konflikten, die bis zu 50 Jahre zurückliegen (daher liegen die Archive offen), weist er nach, wie oft Unruhen und Kriege unter Vorwänden provoziert wurden. Charakteristisch ist eine Strategie der Destabilisierung und Eskalation, gepaart mit False-flag-Aktionen, genau das, was man seit knapp einem Jahr in der Ukraine beobachtet. Wer dieses Video sieht, dem wird schlagartig klar, dass der Konflikt vermutlich vom Westen inszeniert und geschürt wird. Warum? Und vor allem: Cui bono?"
Das Video, das laut Alexander Unzicker belegt, dass der Westen den Ukraine-Russland-Konflikt inszeniert, stammt von der Anti-Zensur-Koalition (AZK) im Juli 2014. AZK ist ein Forum für Verschwörungstheoretiker, das der Schweizer Laienprediger Ivo Sasek initiiert hat. 

Die Leipziger Firma NuoViso GbR hat das Video auf Youtube hochgeladen. Hinter NouViso steckt Frank Höfer, der nach eigenen Angaben das Unternehmen 2007 gegründet hat: "In meiner Zeit als Videocutter beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen musste ich immer wieder feststellen, dass die mediale Berichterstattung von verantwortlichen Redakteuren, Journalisten und Mitarbeitern nur selten hinterfragt wurde. Insbesondere während der Berichterstattung zu den Terroranschlägen am 11. September 2001 gab es trotz zahlreicher Fragen und Ungereimtheiten keinerlei Interesse, diese auch nur einmal ansatzweise kritisch zu beleuchten. Es geht alles ungefragt auf Sendung “was von oben” kommt und alle machen mit. Mein Verständnis von Journalismus und medialer Berichterstattung ist ein anderes."

Frank Höfer und seine Firma NouViso sind im Bereich der Verschwörungstheorien unterwegs (siehe Webseite und psiram.com).


Fazit
Alexander Unzicker lässt sich als Truther einordnen, also als jemand, der sich als Aufklärer versteht. Einen Truther erkennt man laut Schriftsteller und Zeugen Jehovas-Aussteiger Misha Anouk u.a. daran, dass  

  • er seriöse Medien ablehnt und kein Interesse an Fakten hat (hier: Paradigmenwechsel Ost-/Westmedien, Berufung auf irgendwelche Youtube-Videos) und
  • sich auf andere Truther bezieht (hier: u.a. Berufung auf Daniele Ganser, der auf AZK Redner war und im Bereich 9/11-Verschwörungstheorien unterwegs ist).
Laut Anouk sollten Truhter "ihre angeblich systemunabhängigen Blogger genauso prüfen und in Frage stellen, wie sie die Mainstream-Medien der angeblichen Systempresse hinterfragen. Denn: Die Tatsache, dass wir nicht alles wissen, dass uns Informationen vorenthalten werden, dass Fragen offen bleiben, bedeutet im Umkehrschluss nicht automatisch, dass die erfundenen Antworten wahr sind" (siehe "Was ist eine Verschwörungstheorie" und psiram.com).

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